Auszug aus dem Kamasutra

Kamasutra - Das indische Lehrbuch der Liebe

Über die Liebe werden und wurden unzählige Bücher geschrieben. Die meisten verschwinden schon nach kurzer Zeit wieder vom Buchmarkt. Eines aber hat Jahrtausende überdauert: "Kamasutra" - das indische Lehrbuch der Liebe, geschrieben vom großen Menschenkenner und indischen Weisen Vatsyayana.

Der Gründe, warum dieses Buch immer wieder gelesen wird, gibt es viele. Obwohl Maß und Geheimnisse der Liebesumarmung in allen Varianten geschildert werden, bleibt dieses Buch dennoch im zauberhaften Duft seiner Atmosphäre eingehüllt.
Ob es sich um die Begegnung mit der eigenen Frau, mit einem Mädchen oder mit einer Käuflichen handelt, immer bleibt das Gebot menschlicher Distanz bestehen, jenseits derer die Liebe schwände und zum bloßen Sexualakt reduziert würde.
Man sollte zwar nicht alle "Lehren" übernehmen, da sie schließlich aus einem ganz anderen, östlichen Kulturkreis stammen. Aber Kuß, Umarmung und Vereinigung zwischen Liebenden bleiben zu allen Zeiten und in allen Ländern gleich. Aus diesem Grunde spricht uns dieses Buch aus einer Zeit vor etwa 2000 Jahren immer noch an, da in ihm die überzeitliche Kunst der Werbung des Mannes bis hin zu den Geheimlehren über erotisierende Getränke, Zaubereien und luststeigernde Feinheiten unnachahmlich geschildert werden.


Einen kleinen Auszug aus dem Buch

Teil II - Die geschlechtliche Vereinigung

Typen des Liebesgenusses nach Mass, Begehren und Zeit

Die Größe der Geschlechtsteile ist für die Typeneinteilung der Menschen maßgeblich. Die Männer werden gemäß der Größe ihres Lingam (Penis) in drei Klassen eingeteilt.

1. Hase
2. Stier
3. Hengst

Die Frauen tielt man nach der Tief ihres Yoni (Vagina) gleichfalls in drei Klassen ein:

1. Gazelle
2. Stute
3. Elefantenkuh

Eine einfache Überlegung lehrt, daß es neben drei gleichen sechs ungleiche Liebesvereinigungen geben kann. Im ganzen kommen also neun Liebesvereinigungen in Frage. Diese neun Möglichkeiten lauten:

1. Hohe Liebesgenüsse:
   a) Hase und Gazelle,
   b) Stier und Stute
   c) Hengst mit Elefantenkuh

2. Ungleiche Liebesvereinigungen:
   a) Hase und Stute
   b) Hase mit Elefantenkuh
   c) Stier mit Gazelle
   d) Stier mit Elefantenkuh
   e) Hengst mit Stute
   f)Hengst mit Gazelle.

Die ungleichen Liebesvereinigungen führen in bestimmten Fällen zu den Formen

1. hohe Liebesgenüsse und
2. höhere Liebesgenüsse

Diese Liebesgenüsse kommen immer zustande, wenn der Mann der stärkere Teil ist. Die Frau ist dann selbstverständlich der engere Teil. Liegt eine Größenstufe dazwischen, dann sprechen wir von hohen Liebesgenüssen, liegen jedoch zwei Stufen dazwischen, lieben sich also die Extreme, dann sprechen wir von höherem Liebesgenuß.
Übertrifft jedoch die Frau hinsichtlich Größe den Mann, dann gibt es zwei andere Formen des ungleichen Liebesgenusses:

1. Niedriger Liebesgenuß und
2. niedrigerer Liebesgenuß.

Diese Überlegungen lassen sich durch Beispiele leicht erläutern. So ergibt etwas die Vereinigung des Hengstes mit der Stute oder des Stieres mit der Gazelle einen hohen Liebesgenuß. Die Vereinigung eines Hengstes mit einer Gazelle ergibt jedoch den höheren Liebesgenuß. Umgekehrt ergibt eine Elefantenkuh mit Stier oder Stute mit Hase einen niedrigen Liebesgenuß. Elefantenkuh mit Hase läßt lediglich einen noch niedrigeren Liebesgenuß zu.
Eine beachtliche Rolle spielt das jeweilige Temperament der Geschlechtspartner. Hierbei wird nach Stärke und Feuer unterschieden. Die drei Klassen gruppieren sich in kühl, mittel und feurig. Demgemäß sind folgende neun Verbindungen möglich, von denen drei weider gleich und sechs ungleich sind:

1. Gleiche Liebesverbindungen:
   a) kühl mit kühl
   b)mittel mit mittel
   c)feurig mit feurig.

2. Ungleiche Liebesverbindungen:
   a) kühl mit mittel
   b) kühl mit feurig
   c) mittel mit kühl
   d) mittel mit feurig
   e) feurig mit kühl
   f)feurig mit mittel.

Vatsyayana macht eigentlich nur zwischen kühl und mittelfeurig einen schärferen Unterschied. Kühl wird z.B. ein Mann genannt, der wenig auf geschlechtliche Vereinigung aus ist. Sein sexuelles Temperament ist gering und ebenso der Samenerguß. Die heißen Umarmungen des Weibes werden von ihm nicht ertragen. Mittlere und feurige Männer sind hier gegensätzlich veranlagt. Auf Frauen treffen dieselben Unterscheidungsmerkmale zu. Eine nicht minder große Rolle spielt die Frage der Dauer im Liebesgenuß. Auch hier ergeben sich drei Klassen:

1. schnell
2. mittel
3. langsam.

Analog zu den obigen Aufstellungen ergeben sich auch hier wieder drei gleiche und sechs ungleiche Beziehungen hinsichtlich der Dauer der sexuellen Vereinigung.
Allerdings sind hier die Meinungen hinsichtlich der Fähigkeiten und Veranlagungen der Frauen nicht gleich. Hören wir uns diese verschiedenen Meinungen an:

Da wird z.B. oft Auddalaki zitiert, der strikt betont: "Der Frau geht das männliche Genußvermögen ab. Sie genießt nicht so wie der Mann, weil sie keinen Samenerguß hat. Der Mann versucht lediglich seinen Sexualtrieb zu befriedigen, während eine Frau ein Gefühl ganz anderer Art nach der sexuellen Vereinigung erfüllt. Es handelt sich hier um eine Art Wonne des Selbstbewußtseins, die eine nähere Beschreibung ausschließt. Während der Mann nach vollzogenem Genuß von selbst aufhört, findet die Frau kein selbständiges Ende."

Doch gegen diese Anschauung werden viele Gegengründe ins Treffen geführt. vor allem weist eine Reihe von Literaten darauf hin, daß die Frau den Mann um so mehr liebt, je länger die Liebesvereinigung ausgedehnt wird. Wird hingegen die Liebesvereinigung rasch beendet, dann ist die Frau zumeist mit ihrem Partner unzufrieden. Dieser Umstand beweise klipp und klar, daß auch die Frau bei der Liebesvereinigung Wollust empfindet und sich danach sehnt.
Vatsyayana hält jedoch die Auffassung nicht für ganz richtig. Muß nämlich von seiten des Mannes längere Zeit verwandt werden, um den Lusthunger der Frau zu stillen, dann ist es nur begreiflich, daß sich die Frau die Fortsetzung der Liebesverbindung wünscht. Jede Frau wünscht sich die Fortdauer der sexuellen Wonne. Ein altüberlieferter Vers scheint hierzu eine Mittelstellung einzunehmen. "Die Liebesvereinigung mit dem Mann befriedigt wohl die Frau, aber die daraus entstehende selbstbewußte Wonne stellt doch den eigentlichen weiblichen Liebesgenuß dar."
Andere Literaten, wie etwa Babhravya, sind der meinung, daß die Frau während der ganzen Liebesvereinigung Samen zum Erguß bringt. Empfängnis könne nämlich nach dieser Ansicht nur dadurch zustande kommen, daß die Frau Samen um Erguß bringt, sich also männlicher und weiblicher Samen mengen und die Entstehung eines Kindes einleigen.
Aber dagegen spricht die Erfahrung. Bekanntlich ist am Beginn der Liebesvereinigung das Interesse und die Liebeslust der Frau geringer als die des Mannes. Es fällt ihr daher mitunter sehr schwer, das kräftige Stoßen des Sexualpartners zu ertragen. Erst allmählich wird ihre sexuelle Lust bis zur wilden Leidenschaft entfacht, und sie beachtet dann auch nicht mehr die Schwäche ihres Körpers. Schließlich kommt ein Moment, wo sie den Wunsch empfindet, mit der Liebesvereinigung Schluß zu machen.
Doch Vatsyayana ist der Meinung, daß auch dieser Einwand nicht stichhaltig ist, da jede heftige Bewegung erst allmählich anheben muß. Nur schrittweise wird die Höchstgeschwindigkeit etwa der Töpferscheibe oder des Kreisels erreicht. Analog wächst die Leidenschaft der Frau Schritt für Schritt, um schließlich nach gänzlichem Erguß ihres Samens an Wucht zu verlieren. Es taucht dann der Wunsch auf, die Liebesvereinigung zu beenden.
Vatsyayana lehrt darum, daß die Frau wie der Mann Wollust empfindet und dementsprechend die sexuelle Vereinigung genießt. Hierzu kann wieder ein Vers in Erinnerung gebracht werden:

"Gegen das Ende der Liebesvereinigung zu erfolgt der männliche Samenerguß, während die Frau ununterbrochen Wollust empfindet und Samen zum Erguß bringt. Die Frau hat erst dann das Verlangen, Schluß zu machen, wenn sie keinen Samen mehr zum Erguß bringen kann."

Ist jedoch in diesem Zusammenhang nicht die folgende Frage berechtigt? "Wenn auf diese Weise Mann und Frau einander gleichen und gleichartig zum Endergebnis der Liebesvereinigung beitragen, warum obliegt es ihnen, verschiedene Zwecke zu erfüllen?"
Hierauf weiß Vatsyayana folgende Antwort zu geben:

"Das rührt davon, daß die Mittel trotz scheinbarer äußerlicher Ähnlichkeit und Gleichheit doch im Wesen verschieden sind. Die Wollust der Frau unterscheidet sich von der des mannes. Der Mann hat von Natur aus eine aktive Funktion zugewiesen bekommen, während die Frau mehr den passiven Teil darstellt. Wäre diese Naturgebundenheit nicht, dann könnte ja leicht der umgekehrte Zustand eintreten. Eben aus dieser naturnotwenigen körperlichen Verschiedenheit entspringt die Verschiedenheit im bewußten Erleben der Wollust. Darum sagt sich auch der mann: "Das Weib gehört mir!", während die Frau vermeint, "dem Manne anzugehören."

Weitere Folgen dieser Tatsachen: Da es nun eine Verschiedenheit der Mittel gibt, muß es auch eine Verschiedenheit der Folgen geben.
Aber auch so kann nicht weiter geschlossen werden. Schließlich findet doch die Verschiedenheit der Mittel in der Verschiedenheit der an der Liebesvereinigung beteiligten Personen eine Ursache. Andererseits wäre es aber nicht zutreffend, eine grundsätzliche Verschiedenheit der männlichen und weiblichen Wollust anzunehmen, da doch beide Teile an derselben handlung und dazu noch gleichzeitig beteiligt sind!
Dagegen ließe sich einwenden, daß verschieden veranlagte Menschen am gleichen Werk beteiligt sein können und nach einem gleichen Ziele streben. In der Liebesvereinigung hingegen verfolgt jeder Teil sein eigenes Ziel. Aber auch hier fällt wieder ein Widerspurch auf. Es gibt Dinge verschiedener Art, die gleichzeit vollbracht werden können. Man denke etwa an die Widderkämpfe, wo zwei Böcke gleichzeitig aufeinander losgehen. Ähnlich verhält es sich mit zwei gegeneinander geschleuderten Kugeln im Spiel oder beim Wettkampf zwischen zwei Ringern. Von hier aus gesehen, müßten also auch mann und Frau wesensgleich sein. Folglich könnte kein Unterschied in der wirklichen Tätigkeit der beiden angenommen werden. Es zwingt sich uns also der Gedanke auf, daß die Verschiedenheit der Mittel im Liebesverkehr von der Verschiedenheit der körperlichen Ausstattung herrührt, aber dessen ungeachtet beide Partner die gleiche Wollust erlangen können.
Ein alter Vers spricht darum eine tiefe Weisheit aus:

"Zwischen Mann und Frau bestehen hinsichtlich der sexuellen Genußfähigkeit keine Unterschiede. Es ist darum dem heiratslustigem Mann ans Herz zu legen, sich eine Frau zu nehmen, die ihn immer zu leiben imstande ist."

Damit ist erwiesen, daß die Wollust bei Mann und Frau von derselben natur ist. Wir können darum weiterhin schließen, daß es auch in bezug auf die Dauer der Liebesvereinigung gleichfalls neun Arten des Beischlafs gibt.
Rückschauend auf das bisher Ausgeführte könnenw ir bereits feststellen:

Es gibt neun verschiedene Möglichkeiten der Liebesvereinigung nach Maß, Begehren und Zeitdauer. Aus diesen drei mal neun Möglichkeiten gibt es eine unübersehbare Anzahl von Abarten der Liebesvereinigungen. Es obliegt dem Manne, in allen diesen möglichen Liebesvereinigungen die besten Mittel für die Wollusterweckung der Frau zu gebrauchen. Mit der Frau ist es so zu verfahren, daß bei ihr auf alle Fälle die Wollust früher eintritt. Man muß auf die Bereitwilligkeit der Frau für die Liebesvereinigung achten, gegebenenfalls durch vorsorgliches Benehmen eine gewisse stimulierende Vorbereitung treffen.
Wie soll sich der Mann bei der ersten Liebesvereinigung gegenüber seiner Geschlechtspartnerin verhalten? Nun, bei der ersten Vereinigung möge das feurige Temperament den Mann leiten und ihn zum baldigen Samenerguß kommen lassen. Bei den folgenden Liebesvereinigungen hingegen geziemt es sich, daß der Mann mit dem Samenerguß zuwartet und die körperliche Berühurng so lange in die Länge schiebt, bis die Frau zu ihrer Befriedigung gelangt ist. Ist beim ersten Zusammensein mit der Frau derern Liebeslust anfänglich mäßig und braucht es in der ersten Zeit längere Bemühungen zur Befriedigung ihrer Triebe, so ändert sich das bald. Nach größerer Erfahrung flammt auch bei der Frau die sexuelle Lust bald schnell auf, und es kommt auch bei ihr zu einer raschen Befriedigung.

SKALA DER LIEBESZUSTÄNDE

Erfahrene Literaten sind der Meinung, daß wir die Liebe in vier Gruppen einteilen müssen:

1. Liebe aus Gewohnheit
2. Liebe aus Einbildung
3. Liebe aus Vertrauen
4. sinnliche Liebe

Diese vier Formen mögen hier näher erörtert werden:

1. Alles, wo die Gewohnheit oder eine gleichmäßige Tätigkeit eine Rolle spielt, führt zu dieser Form der Liebe. Auf diese Weise kann Liebe zu fleischlichen Vereinigung, zur Jagd, zum Trinken, zum Spiel usw. entstehen.

2. Diese Liebe beruht auf der Fähigkeit vieler Menschen, lediglich in der Gedankenwelt wurzelnden Dingen großes Gewicht beizulegen. So kommt es zur Liebe aus Einbildungskraft. Das führt z.B. zur Vorliebe gewissen Männer, Frauen und Eunuchen für das Auparishtakam oder den Mundverkehr. Hierher gehören auch alle Arten von Küssen und Liebkosungen.

3. Eine solche Liebe ist dann vorhanden, wenn sich die Partner vertrauensvoll begegnen. Beide Partner sind dann wie die Teile eines Ganzen. Ihre Charaktere sind gleichmäßig und gleichstimmig.

4. Die sinnliche Liebe ist jedoch erst die vollwertige Liebe, denn von ihr leben alle die drei beschriebenen Nebenformen.

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