Lehren
und Lernen mit Pflegediagnosen
„Ohne eine eigene
Fachsprache bleibt Pflege unsichtbar.“ Dieser Satz findet sich in
einem Dokument vom Weltbund
der Krankenschwestern/-pfleger (ICN) aus dem Jahr 1994. Pflegediagnosen
bilden die Grundlage für eine einheitliche Pflegefachsprache.
Sie bestehen aus
einheitlichen Namen bzw. Begriffen für den gleichen Sachverhalt.
Dies beinhaltet die Chance
einer weltweit umfassenden Verständigung aller Pflegenden.
Der pflegediagnostische
Prozess
Die NANDA (North American
Nursing Diagnosis Association) definierte 1990 den Begriff
Pflegediagnose
wie folgt: „Eine Pflegediagnose ist die klinische Beurteilung der Reaktion
von Einzelpersonen, Familien oder sozialen Gemeinschaften auf aktuelle
oder potentielle Probleme der Gesundheit oder im Lebensprozess.
Pflegediagnosen liefern die Grundlagen zur Wahl von Pflegehandlungen und
zum Erreichen erwarteter Pflegeziele, für welche die Pflegeperson die
Verantwortung übernimmt.“ (Stefan et al, Springer 2000, S.13)
In dem modifizierten
Pflegeprozessmodell von Heuwinkel-Otter et al (Springer 2006, S. 62 ff)
bildet die Pflegediagnostik den 1. Schritt, d.h. die Informations-
und Ressourcensammlung durch eine umfassende Pflegeanamnese (Gespräch,
Beobachtung, Untersuchung). Die Informationen werden interpretiert, um zu
prüfen, welche Pflegediagnose vorliegen könnte. Als Zwischenschritt kann,
falls die Diagnose nicht zweifelsfrei gesichert ist, eine vorläufige
Diagnose (Verdachtsdiagnose „V.a.“) gestellt werden. Zum Finden der
endgültigen Pflegediagnose überprüft man die Informationen bzw. die
Verdachtsdiagnosen. Dabei erfolgt eine Synthese (Zusammenfügung), d.h.
Informationen und Daten des Patienten werden mit weiteren Informationen
bzw. mit Definitionen, Ätiologien (Ursachen, weitere Faktoren) und
Kennzeichen (Symptome, Zeichen, Merkmale) aus der Fachliteratur
verglichen.
Steht die Pflegediagnose,
erfolgt der 2. Schritt die Pflegetherapie, d.h. die Zielfestlegung,
Auswahl, Planung und Ausführung von geeigneten Pflegemaßnahmen, i.d.R. mit
dem Betroffenen gemeinsam. Zugleich wird die Richtung der Pflege
festgelegt, d.h. aktivierend, gleichbleibend, palliativ oder
koordinierend. Einen besonderen Stellenwert erhält dabei die immer
wichtiger werdende präventive Pflege.
Im 3. Schritt prüft die
Pflegende durch die Pflege-Evaluation (Bewertung) den Erfolg der
Pflegemaßnahmen.
Beispielsweise geht es dem Patienten sichtbar besser („er sieht
besser aus“), der Kranke
äußert dies selbst, oder eine Familie ändert ihr Verhalten.
Bewertungen erfolgen
während einer pflegerischen Beziehung häufiger (z.B. nach
jeder Schicht und/oder in
zuvor festgelegten Zeitabschnitten) und selten nur einmal
zum Abschluss einer
pflegerischen Beziehung.
Als 4. und letzter Schritt
folgt die Pflegeanpassung, z.B.
wenn die vorgenommenen
Pflegemaßnahmen nicht den
gewünschten Erfolg hatten, sich die Situation des Pflegebedürftigen verändert
oder sich das Pflegewissen geändert hat. Letzteres ist auf Grund von neuen
Pflegetechniken, Hilfsmitteln, Krankheitsbildern und wissenschaftlichen
Erkenntnissen der ständigen
Veränderung unterworfen und macht lebenslanges Lernen unumgänglich.
Bestandteile von
Pflegediagnosen
Die NANDA-Pflegediagnosen
sind mit einem kurzen Pflegediagnosentitel (bzw. Problem,
gesundheitliches Problem), meist mit einem Bestimmungswort und immer mit
einer etwas ausführlicheren, dazugehörigen Definition (bzw.
Problembeschreibung) versehen. Hinzu kommen, je nach Art der
Pflegediagnose, die Einflussfaktoren (Ätiologie
/ Ursachen, mögliche
Ursachen, Risiko- / Gefahrfaktoren), die Symptome
/ Kennzeichen
(Zeichen, Merkmale) und die Präzisierung nach Inhalt, Grad und Zeit. Die
sechs Pflegediagnosenbestandteile dienen der konkreten Formulierung, damit
jeder das Gleiche versteht.
Das PES-Schema
Pflegediagnosen werden nach
dem PES-Schema erstellt. Das Vorgehen richtet sich nach einigen der oben
beschriebenen Bestandteile der Pflegediagnose. Dazu gehören: Pflegediagnosentitel,
Einflussfaktoren, Symtome = PES-Schema. In manchen
Fachbüchern ist das „E“ durch ein „Ä“ für Ätiologie ersetzt: PÄS-Schema.
Bei der Dokumentation einigt man sich auf eine Formulierungsweise. Auf die
Formulierungen „beeinflusst durch (b/d)“ oder „angezeigt durch (a/d)“ kann
verzichtet werden, wenn mit den Buchstaben PES oder PÄS gearbeitet wird.
Beispiele
P
= Pflegediagnosetitel –
beeinflusst durch (b/d)
E
= Einflussfaktor –
angezeigt durch (a/d):
S
= Symptome, Zeichen und
Merkmale
P
– Gewebeschädigung (NANDA-Taxonomie
2: Sicherheit und Schutz, 00044);
E
– Mangelernährung,
eingeschränkte Mobilität
S
– Blasenbildung der Haut,
linker äußerer Fußknöchel, Durchmesser ca. 2-cm2-groß
Integration von
Pflegediagnosen in der Ausbildung
Pflegende müssen in dem
stark wachsenden und umkämpften Gesundheitsmarkt die zukünftige
Entwicklung der Pflege selber in die Hand nehmen und anderen deutlich
vermitteln was sie können,
was sie leisten und was sie wollen. Nur wenn für andere
nachvollziehbar ist was
Pflege leistet, kann Pflege entsprechend ihrer Leistung
gesellschaftlich anerkannt
und honoriert werden.
Im Rahmen des
Pflegeprozesses ersetzen die Pflegediagnosen den 2. Schritt, die
Pflegeprobleme.
Pflegeprobleme und Pflegediagnosen unterscheiden sich in einem
wesentlichen Aspekt: Pflegeprobleme sind uneinheitlich, sehr individuell gestaltet.
Pflegediagnosen sind
einheitlich. Mit demselben Diagnosebegriff werden immer
gleiche oder sehr ähnliche
Zustandsbilder beschrieben. Aus den Zustandsbildern leiten sich einheitlich
definierte Behandlungsverfahren ab. D.h. unter der Pflegediagnose „Angst“
versteht jede beruflich Pflegende das gleiche, da die Kennzeichen für die
Diagnosestellung „Angst“ und die dazugehörigen Interventionen zur
Angstminimierung festgelegt sind. Somit gewährleisten Pflegediagnosen,
dass jeder das gleiche weiß, das gleiche versteht und das gleiche macht.
Werden Pflegediagnosen
flächendeckend angewendet, können weder Politiker noch
Krankenkassen vor
dokumentierten Tatschen, z.B. Pflegediagnose: „Angst“, Pflegemaßnahme:
angstreduzierendes Gespräch 20 Minuten, die Augen verschließen.
Sichtbare und konkrete
Nachweise machen eine Berechenbarkeit von Pflegeleistungen
möglich und zwingen
Politiker und Krankenkassen zum Handeln.
|